Watermelone Man...

oder wie ich lernte, die Melone zu hassen

Dieser elende Ohrwurm, ich krieg' ihn einfach nicht aus meinem Kopf! Und das Bild der riesigen Melone auch nicht. Dabei fing alles ganz harmlos an:

„Ich fahr' für eine Woche nach Holland“, teilte meine Schwester mir mit – sie wohnt im gleichen Haus wie ich. Und als Abschiedsgeschenk von ihr fand ich am nächsten Tag eine riesige Melone vor meiner Türe, mit einem Zettel darauf: „Lasst sie euch gut schmecken!“
Wie nett von ihr, und Wahnsinn, so eine riesige Melone hatte ich noch nie gesehen – sie war einfach überwältigend! Nur wo unterbringen? Den Kühlschrank samt Zwischenböden ausräumen? Auch dann hätte sie nicht hineingepasst. Also in die kühle Waschküche, ja wirklich, wir nennen eine altmodische Waschküche unser eigen, okay, es ist eher eine modrige feuchte Gruft... Ich nahm also die Sackkarre und hievte die Melone in die Gruft... äääh Waschküche, um sie etwas zu kühlen. Die Melone natürlich und nicht die Waschküche.
Der Transport schien mich zu beschwingen, denn schon in der Waschküche hörte ich diese Melodie im Kopf. Ein Stück von Herbie Hancock war es, nämlich 'Watermelone Man'... Ich musste lachen, früher hatte ich immer gedacht, es hieße 'WHAT A MELLOW MAN'... Aber 'Watermelone Man' passte viel besser!
Nach zwei Tagen wagte ich es, die Melone anzuschneiden. Ich brauchte dazu eine Axt, denn kein normales Messer hätte sie durchtrennen können. Ich metzelte also ein Viertel davon ab, schleppte es nach oben und präsentierte es meinem Mann. „Wow“, sagte der schwer beeindruckt. Gut, wir aßen den ganzen Abend lang Melone, dann schnitt Bobo den Rest in appetitliche Stücke, die ich in meiner größten Tupperschüssel unterbrachte. Der Kühlschrank war voll. Und am nächsten Tag nahm ich die Tupperschüssel mit ins Büro – das war nicht sehr angenehm, weil ich bei der Fahrt dorthin zwei Sitzplätze belegen musste... Aber die Sache war es wert, denn meine Kollegen konnten sich endlich einmal richtig satt essen.
Leider war immer noch was vom ersten Viertel übrig. Die Kollegen verspürten keinen Hunger mehr auf Melone, meine Freunde winkten ab... Was blieb mir also übrig? Kurzentschlossen verteilte ich die Melonenstücke in der hintersten Ecke des Gartens auf einem Stück Brachland, wo eh nix wuchs. Aber vielleicht würde ja die gewaltige Düngung durch die Melone einen Wachstumsschub bewirken.

Und immer noch hörte ich es im Geiste: 'Watermelone Man'... Aber es klang mittlerweile ein wenig lästig.

Zwei Tage später nahmen wir das zweite Viertel in Angriff. Irgendwie war uns ein bisschen die Lust auf Melone vergangen, und wir pickten uns nur die süßen Innenstücke heraus, den Rest warf ich unauffällig beim Spazierengehen in die Gegend. Ich brauchte zehn Spaziergänge dazu, und mich zwackte dabei ein ziemlich schlechtes Gewissen. Man wirft doch keine Lebensmittel weg, das hat mir meine Schwiegermutter eingebläut. Klar doch, die isst alles, auch wenn es schon halb vergammelt ist. Aber ICH NICHT!

Gut, die Hälfte war gegessen, beziehungsweise entsorgt. Ich wuchtete die übrig gebliebene Hälfte der Melone von der Waschküche auf meine Terrasse. Meine Schwester würde nämlich bald wieder da sein, und in der Waschküche hätte sie die verflixte Melone sehen können.
Ich versteckte sie auf der Terrasse unter alten Zeitungen. Sie sah in ihrem Müllbeutel immer noch prächtig aus, ihr zartrotes Fruchtfleisch wirkte immer noch sehr, na ja zartrot...
Ab und zu beim Abstauben schaute ich sie vorsichtig an. Und sie schaute vorwurfsvoll zurück. „Warum isst du mich nicht?“, schien sie zu fragen, jedenfalls bildete ich mir das ein. Und in meinem Kopf ertönte unangenehm das Stück 'Watermelone Man'.
Was sollte ich nur tun? Wegschmeißen konnte ich sie nicht, die Mülltonne wäre unter ihrem Gewicht glatt zusammengebrochen, und Garten und Gegend waren ja auch schon melonengesättigt. Also wartete ich... Aber auf was? Meine Schwester war mittlerweile wieder zu Hause, doch seltsamerweise fragte sie nicht, ob die Melone mir gemundet hätte.
Wirklich seltsam... Und dann kam’s mir. Ich erinnerte ich mich daran, dass ich die Melone schon bei ihr gesehen hatte, die musste uralt sein, älter als Methusalem. Klar doch, Schwesterherz hatte mich reingelegt, sie schmeißt nämlich auch nicht gerne was weg.
Das verdammte Stück 'Watermelone Man' dröhnte in meinem Kopf...

Ich verdrängte die Melone aus meinen Gedanken, nur durch Zufall warf ich ihr heute Morgen einen verlegenen Blick zu, und was soll ich sagen: Sie war im Begriff, sich aufzulösen. Das Fruchtfleisch fing an zu wässern und vergammelte anscheinend. Das war die Gelegenheit! Ich ergriff todesmutig den triefenden Riesenabfallbeutel, schleppte ihn vorsichtig ins Badezimmer und hielt ihn über die Kloschüssel. Dort wrang ich den Beutel regelrecht aus, während ich mir die Nase zuhielt, denn das Zeug stank wie die Pest. Nachdem der Saft ins Klo abgegangen war, konnte ich den Rest endlich in die Mülltonne entsorgen.

Triumphierend erklang die Melodie, aber ich hatte den Text ein wenig abgewandelt, nämlich zu seiner ursprünglichen Form, nämlich: 'WHAT A MELLOW MAN'. Das passte viel besser!

Als ich von der Mülltonne ins Haus zurückkehrte, traf ich meine Schwester. Gut gelaunt sagte sie zu mir: „Du magst doch Wassermelonen, Schatzi! Ich hab’ da noch eine liegen, und da ich morgen in Urlaub fahre...“
ENDE

PS: Danke Herbie Hancock!
PS: Danke Schwesterchen, ich muss oft an dich denken, eigentlich immer, du warst der beste Teil von mir. Und als ich das geschrieben habe, da warst du noch so lebendig, und ich möchte dich lebendig erhalten!
andiberlin - 23. Aug, 08:29

Gibt es so große Melonen wirklich?!
Ein Bild hast Du nicht zufällig gemacht?

Iggy - 23. Aug, 10:27

ich fand sie riesig!

das ist zwar nicht die originale, aber ähnlich... ;)
antworten
tschapperl - 30. Aug, 23:32

Denke hier primär an ein Osterei.
antworten
Iggy - 31. Aug, 11:54

von einem strauß

und gut bemalt... ;)
antworten
Boris (Gast) - 23. Aug, 12:11

Hüte Dich vor Schwestern die mit Melonen kommen...

Iggy - 23. Aug, 15:26

aha,

das allseits bekannte danaer-geschenk... *gg*
antworten
Aurisa - 23. Aug, 15:33

Also ich schaffe es ja irgendwie auch immer Melonen so lange bei mir liegen zu lassen bis sie mindestens überreif sind ;)...
Aber ich käme nie auf die Idee die dann jemand Anderem auf's Auge zu drücken ;)...

Iggy - 23. Aug, 16:23

aufs auge zu drücken

ist gut. das fehlte noch... *gg*
antworten
Aurisa - 23. Aug, 16:42

Ist aber ein schönes Bild *g* ;)...
antworten
Iggy - 23. Aug, 17:25

ein wunderschönes bild...

ich sehe gerade, wie mein kopf in der melone verschwindet... ;))
antworten
Frau Tupfelmaus - 26. Aug, 09:01

Oh Gott, das liest sich wie ein Albtraum, ich hoffe Du wirst nicht verfolgt von der Melone, nicht das die sich mal rächt.....

Iggy - 26. Aug, 12:45

manchmal kommen sie wieder...

oh je, ich hoffe nicht! ;))
lieben gruß
antworten
Bermejo (Gast) - 27. Aug, 08:01

aus gegorener melone kannst du schnapps machen, dann hättest du das elend vielleicht besser ertragen - frag die russen ;-))

Iggy - 27. Aug, 11:36

ja toll!

jetzt ist es natürlich zu spät... ;))
antworten
punctum - 28. Aug, 08:58

Was für eine entzückende Geschichte!! Ich lach mich grad kaputt, wunderbar geschrieben. Allerdings hatte ich letztes Wochenende das gleiche Problem - Besuch da, Kühlschrank sowieso voll, Melone auch im halben Zustand noch zu groß, Keller auch nicht soo geeignet. Zwangsweise Verteilung an Familie. Nachbarn. Letztendlich Kompostierung der "Reste". Hattest Du nicht mal die geniale Idee, man könne solche Dinge per Post verschicken? Möchtest Du Melone?

Iggy - 28. Aug, 12:18

nein danke, kein bedarf... ;))
und außerdem wird das porto viel zu teuer.
soso, du hattest auch das problem, und dann auch noch zeitgleich. toll!
lieben gruß an melonen-woman *gg*
antworten
schlafmütze (Gast) - 19. Sep, 12:43

Schöne Erinnerungen ..

an liebe Menschen, die schon vor uns gehen mußten, sind kostbar. Wenn diese mit solchen netten Geschichten verbunden sind, erst recht :-)
Ganz liebe Grüße ..

Iggy - 19. Sep, 14:39

oh ja... ;)

antworten

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Alle meine blöden Romane sind übrigens H I E R

Holidays in Kampodia

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Unsere Geschäftspolitik ist erfolgreich, und unsere Devise hat sich bestätigt: Nur wer‘s glaubt, ist selig...
*Es besteht keine Ähnlichkeit mit dem harmlosen Abführmittel Glaubersalz.
(Auszug aus einem hochgeheimen Bulletin der FIRMA)

Fortsetzung folgt, aber nicht mehr in diesem Theater, sondern dort:
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Recent Visitors... ist leider übern Jordan gegangen. Schade drum, es war schön zu sehen, wie die Welt bei mir vorbei schaute...

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